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Unsere Eindrücke des DIVI Kongress 2013 - IT-Themenschwerpunkte Telemedizin und PDMS
Der 13. Kongress der „Deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)“ unter dem Motto „Innovation trifft Kompetenz“ fand dieses Jahr vom 04. - 06.12.2013 in dem Congress Center der Messe Leipzig statt. Mit insgesamt 130 wissenschaftlichen Symposien, 14 Pro/Contra Debatten, 36 praktischen Workshops und vielen weiteren Veranstaltungen wurde ein breites Spektrum der Intensiv- und Notfallmedizin thematisch abgedeckt. Im Bereich der Informationstechnologie bildeten die Möglichkeiten der Telemedizin und die Patientendatenmanagementsysteme (PDMS) einen wesentlichen Schwerpunkt.
In verschiedenen Vorträgen zeigte sich, dass die Einsatzmöglichkeiten der Telemedizin derzeit nicht flächendeckend genutzt werden und oft auf Pilot- bzw. regionale Projekte beschränkt sind. Während eine deutschlandweite Verbesserung der präklinischen Versorgung des Apoplex mit mobilen Computertomographen (CT) eher unwahrscheinlich erscheint, könnte die telemedizinische Assistenz von Rettungsassistenten bzw. zukünftig Notfallsanitätern durch einen rückwärtigen Notarztdienst, als „Ratgeber“ in unklaren Fällen oder für die Überbrückung des therapiefreien Intervalls bis zum Eintreffen eines Arztes vor Ort, interessante Optionen bieten.
Teilweise fehlt aber eine klare Evidenz für den Nutzen telemedizinischer Anwendungen, denn mit den gewählten Studienparametern ist nicht immer zu differenzieren, ob die gemessenen Effekte nicht auf die Sensibilisierung der Mitarbeiter, mit einem Projekt verbundene Schulungen oder allgemeine Optimierungen im Versorgungssystem zurückzuführen sind.
Insgesamt kann festgestellt werden, dass eine deutschlandweite informationstechnische Durchdringung der Präklinik mit GPS-gestützter Fahrzeugdisposition, digitalen Notfallprotokollen, elektronischem Versand von 12-Kanal-EKGs und der digitalen Voranmeldung des Patienten direkt im KIS des Zielkrankenhauses noch Zukunftsmusik ist. Sicher werden weitere Projekte in diesem Bereich notwendig sein, um die erforderlichen Kommunikations- und Nachrichtenstandards zu erarbeiten bzw. für die Profilierung etablierter Standards zu sorgen.
Der Themenkomplex der Patientendatenmanagementsysteme (PDMS), die eine digitale Abbildung der Patientenverlaufsakte mit ihren Messwerten (Blutdruck, Puls, Sättigung, etc.), ggf. den Beatmungsparametern, Medikationsanordnungen-/gaben und sonstigen (pflegerischen und ärztlichen) Maßnahmen realisieren können, wurde in mehreren Symposien aus unterschiedlichen Sichten beleuchtet.
In einer intensiven Pro und Contra Diskussion wurde versucht den wirtschaftlichen Nutzen von PDMS Lösungen, wobei sich derzeit in der Literatur noch keine Evidenz für deren Einsatz feststellen lässt, herauszuarbeiten. Jedoch waren sich praktisch alle Teilnehmer einig, dass die insgesamt verbesserte Dokumentationsqualität, automatische Übernahme von Werten (z.B. Beatmungszeiten), mit konfigurierbaren Warn- und Hinweisregel oder der Einbindung eines Arzneimittelinteraktionscheck gesteigerte Patientensicherheit, langfristig auch zu einer verbesserten Erlössituation führen.
In den Umfragen unter den Teilnehmern zeigte sich, dass in vielen Einrichtungen aller Versorgungstufen die Einführung eines PDMS in unterschiedlichen Funktionsbereichen (zentrale Notaufnahme, Intensivstation und auch periphere Stationen) angedacht, konkret geplant oder bereits als Projekt initiiert ist. Die Vorreiter sind derzeit große Universitätskliniken, mit entsprechenden finanziellen und personellen Ressourcen, denn ebenso deutlich wurde, dass die Anschaffung und Einführung eines PDMS -wie jedes andere komplexe IT Verfahren- ein „richtiges“ Projekt ist, als solches gemanagt werden muss und die begleitende Unterstützung eines spezialisierten Beratungsunternehmens hilfreich sein kann.
Die von DIVI und der „Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS)“ am Donnerstag gemeinsam veranstaltete Clinical Document Challenge (CDC) bot den verschiedenen Herstellern von IT-Systemen (KIS, KAS, PDMS, usw.) die Möglichkeit anhand vorgegebener, standardisierter Szenarien den Einsatz ihrer Systeme im Bereich der Notaufnahme zu präsentieren. Denn die Symposien zeigten auch, dass die semantische Interoperabilität von IT Systemen im Gesundheitswesen, sowie deren Usability, hinsichtlich des Projekterfolgs wesentliche Kernaspekte sind und die Vergleichbarkeit der verschiedenen Lösungen für einzelne Häuser nur schwer herstellbar ist.
Neben dem primären Verwendungszweck eines PDMS ergeben sich mit der Menge an auswertbaren Daten und der Möglichkeit ihrer Aggregation auch weitere, nachgelagerte Nutzungsmöglichkeiten: Naheliegend sind die Ermittlung abrechnungsrelevanter Faktoren, die gezielte Rekrutierung von Patienten für den Einschluss in Studien oder die Messung von Qualitätsindikatoren.
In diesem Kontext muss immer eine kritische Würdigung des Datenschutzes, der ein eigener Vortrag gewidmet war, erfolgen. Denn zwangsläufig werden zusammen mit den Patientendaten auch immer Informationen über die an der Behandlung beteiligten Personen erhoben und während der Patient in aller Regel eine Einwilligung zur Datenverarbeitung im Rahmen seiner Behandlung erteilt hat oder diese explizit für die Teilnahme an einem Versorgungsprogramm/-studie eingeholt wird, sind auch gegenüber den eigenen Mitarbeitern datenschutzrechtliche Anforderungen zu berücksichtigen.
Die mit einem PDMS erhobenen Daten bieten von der einfachen Messung der Anzahl von Alarmen und (nicht) erfolgten Reaktionen, über komplexere Muster (bspw. bei der Verordnung und Gabe von Medikamenten), bis zur Analyse der Konformität zu Leitlinien und SOPs prinzipiell vielfältige Auswertungsoptionen.
Aus diesem Grunde empfiehlt sich, insbesondere bei der Definition und Messung von Performanceindikatoren, aber auch grundsätzlich bei der Einführung eines neuen IT Verfahren und den damit verbundenen Aufgaben (wie der Festlegung des Rollen- und Rechtekonzeptes), die frühzeitige Einbindung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Auch für ein PDMS gelten die mit der „Orientierungshilfe KIS“ von den Landesdatenschützern konsentierten Anforderungen an den Datenschutz im klinischen Umfeld.
Der diesjährige DIVI-Kongress spannte wieder einen großen Bogen über alle Aspekte der Intensiv- und Notfallmedizin und in vielen Vorträgen und Diskussionen zeigten sich die Potenziale moderner IT-Anwendungen. Die Rolle des Datenschutzes wird in Zukunft immer wichtiger werden und sicher sind Chancen und Risiken der Informationstechnologie dabei immer kritisch abzuwägen. Allerdings darf der Datenschutz auch kein grundsätzlicher „Showstopper“ sein, sondern vielmehr müssen datenschutzfreundliche und gleichzeitig praktikable Lösungen interdisziplinär umgesetzt werden.